Panzer der Gerechtigkeit

Datum: 16. September 2025 | Prediger/in:
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Gewalten der Finsternis

Ich war 15 Jahre alt. Die ganze Welt stand unter Schock.
Ich weiss noch genau, wo ich stand, als mein Cousin mir zurief:
„Beni, hast du gehört? Ein Flugzeug ist in ein Hochhaus geflogen.“

Jemand sandte mir ein Bild vom World Trade Center.
Die beiden Türme brannten. Im Rauch konnte man deutlich eine dämonische Fratze erkennen.
Zu dem Bild stand ein Bibelvers aus Epheser 6,12:
Wir kämpfen nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut …

Nicht gegen Terroristen, sondern gegen Dämonen.

Ich ärgerte mich. Natürlich hatte der Teufel seine Finger im Spiel. Aber wie soll ich diese Bibelstelle mit diesem Bild verstehen?
Heisst das, dass nicht die Terroristen, sondern der Teufel schuld war an diesem Desaster? Oder heisst das, dass die Terroristen keine echten Menschen sind, sondern Dämonen?
Beides stimmt nicht.

Es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die uns Zerstörung brachten.
Der Kampf gegen Terrorismus ist natürlich, politisch und militärisch – nicht geistlich.

Aber: Es gibt einen geistlichen Kampf.
Und der findet nicht irgendwo weit weg in New York statt, sondern ganz nah, direkt in unserem eigenen Leben.
Diesen Kampf kämpfen wir nicht gegen Menschen, die uns das Leben schwer machen, sondern gegen den Teufel, der uns dazu bringen will, anderen das Leben schwer zu machen.

Die Waffenrüstung Gottes schützt uns nicht vor bösen Menschen, sie schützt uns davor, böse Menschen zu werden.

Wenn Unrecht geschieht

Diesen Kampf sehen wir schon in einer der ersten Geschichten in der Bibel: die Geschichte von Kain und Abel.

Kain war zornig, weil Gott das Opfer seines Bruders bevorzugte.
Daraufhin warnte ihn Gott:

6 »Warum bist du so zornig?«, fragte der HERR ihn.
7 »Warum blickst du so grimmig zu Boden? Ist es nicht so: Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du frei umherschauen. Wenn du jedoch Böses planst, lauert die Sünde dir auf. Sie will dich zu Fall bringen. Du aber sollst über sie herrschen!« (1 Mo 4,6f)

Das ist ursprünglich auf Hebräisch geschrieben, und Hebräisch ist eine sehr bildhafte Sprache. Dass die Sünde uns zu Fall bringen will, heisst wörtlich übersetzt: „Die Sünde hat Lust oder Verlangen nach dir.“

Das hebräische Wort für „Verlangen“ ist תְּשׁוּקָה (teshuqah).
Dieser Begriff wird sonst in der Bibel für sexuelles Begehren verwendet.
Etwas zugespitzt könnte man auch übersetzen:
„Die Sünde ist geil auf dich.“
Sie will sich mit dir vereinen und sich mit dir vermehren. Sie will ein Kind von dir.

Im Psalm 7,15 steht:

Der Böse denkt sich Böses aus; er geht schwanger mit Unrecht und gebiert Lügen.

Und Jakobus warnt:

Wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod. (LÜ: Jak 1,15)

Bei Kain ging das sehr schnell: Obwohl Gott ihn warnte, ging er gleich danach zu seinem Bruder und tötete ihn.

Das ist das Ziel des Teufels:
Es ist ihm nicht genug, uns zu quälen und zu terrorisieren. Er will uns mit Bosheit besamen, sodass Böses in uns wächst und aus uns herauskommt.

Auch Petrus warnt uns:

Seid besonnen und wachsam und jederzeit auf einen Angriff durch den Teufel, euren Feind, gefasst! Wie ein brüllender Löwe streift er umher und sucht nach einem Opfer, das er verschlingen kann. (1 Pet 5,8)

Der Teufel hat auch Lust darauf, uns zu verschlingen. Das heisst, dass wir Teil von ihm werden, dass wir durch das Böse, welches wir erfahren, selbst böse werden.

Wir aber sollen uns nicht auf die Sünde einlassen, sondern über sie herrschen.

Ich frage dich:

  • Was tust du, wenn dir Unrecht geschieht?

  • Was tust du, wenn du verletzt wirst?

  • Was tust du, wenn andere schlecht über dich reden?

Im ABS-Seelsorgekurs (Geheimnisse wahrer Persönlichkeitsreifung, S. 29) schreibt Walter Nitsche:
„Verletzte Menschen verletzen Menschen.“
Das ist so wahr! Gerade in der Seelsorge ist es sehr hilfreich, dies zu verstehen.
Aber wenn es zur Ausrede oder Selbstrechtfertigung wird – wenn wir sagen:
Ich hab ein Recht darauf, böse zu sein, schliesslich habe ich auch Böses erfahren.

Dann kann und wird sich das Böse ungebremst vermehren.

Um uns davor zu schützen, dass wir nicht selbst böse werden, gibt uns Gott seine Waffenrüstung.
Und um uns gegen solche falsche Selbstrechtfertigung zu schützen, gibt uns Gott seinen Panzer der Gerechtigkeit.

Nicht unsere Gerechtigkeit

Um diese Gerechtigkeit geht es heute.
Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass dieser Panzer nicht unsere eigene Gerechtigkeit ist.
In Epheser 6,11 steht nicht, dass wir unsere Waffenrüstung anziehen sollen.
Es steht, dass wir die Waffenrüstung Gottes anziehen sollen.

Schon Jesaja beschreibt, wie Gott selbst den Brustpanzer der Gerechtigkeit, den Helm des Heils und das Gewand der Rache trägt. (Jes 59,17)

Das Kapitel berichtet, wie Gott eingreift, weil wir Menschen die Wahrheit verloren haben (Jes 59,3.13.14f) und auf Unheil zurennen (Jes 59,7).
Gott rettet uns vom Bösen und schliesst einen Bund, dass sein Geist auf uns kommt und wir seine wahren Worte im Mund haben (Jes 59,21).

Die Waffenrüstung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Evangelium, Heil und dem Wort Gottes ist also nicht nur etwas, das Gott uns gibt. Es ist die gleiche Waffenrüstung, die Gott selbst trägt.

Nur eines behält er für sich: das Gewand der Rache.
Mehrfach sagt Gott in der Bibel: „Die Rache ist mein, ich will vergelten“ (5 Mo 32,35; Röm 12,19; Hebr 10,30).

Die Last und Verantwortung der Rache legt uns Gott nicht auf.

Falscher Panzer oder echter Panzer?
Aber seinen Panzer der Gerechtigkeit bietet er uns an.

Es ist ein tiefes Bedürfnis von allen Menschen,
dass wir Gerechtigkeit haben wollen.
Aber wir sind uns selten einig, was das genau bedeutet.
Soziale und individuelle Gerechtigkeit stehen oft im krassen Widerspruch. Und wenn ich etwas persönlich für gerecht halte, heisst das noch lange nicht, dass du es auch so empfindest.
Es kommt nicht gut, wenn wir versuchen, einander unsere eigene Gerechtigkeit aufzuzwingen.

Deshalb geht es hier nicht um unsere Gerechtigkeit, sondern um Gottes Gerechtigkeit.
Als Bild für diese Gerechtigkeit nennt Paulus den Brustpanzer.
Beim Vorbereiten habe ich versucht, solch einen Brustpanzer anzuziehen.
Das ist fast unmöglich ohne Hilfe. Also benötigte ich auch jetzt jemanden, der mir hilft, diesen Panzer anzuziehen.

So ist es auch mit der Gerechtigkeit Gottes: Wir benötigen Hilfe, um sie "anzuziehen".
Unsere eigene Gerechtigkeit können wir auch alleine anziehen.
Aber wenn wir uns auf die eigene Gerechtigkeit verlassen, werden wir fallen – oder schlimmer noch: „schwanger werden“ mit Sünde.

Ein Beispiel:
Vor einiger Zeit sagte jemand etwas über meinen seelischen Zustand, das aus meiner Sicht völlig falsch war.
Ich ärgerte mich – nicht nur, weil eine Lüge über mich ausgesprochen wurde, sondern noch mehr darüber, dass diese Person sich anmasste, überhaupt über mein Innerstes zu urteilen, wo doch nur Gott mein Innerstes wirklich kennt.
Zu meiner Schande reagierte ich mit meiner eigenen "Gerechtigkeit".
„Wie du mir, so ich dir“ – das steht doch irgendwo in der Bibel, oder?
Tatsächlich steht das in Sprüche 24,29, aber mit der Aufforderung, genau das nicht zu sagen.
Sprich nicht: »Wie du mir, so ich dir! Ich zahle jedem heim, was er mir angetan hat!« (HFA: Spr 24,29)

Ich schoss zurück.
Mit der exakt gleichen Argumentationslinie bildete auch ich ein Urteil über den seelischen Zustand meines Klägers.
Dadurch konnte er mich nicht mehr angreifen:
Die Person konnte nicht darauf bestehen, recht zu haben, ohne gleichzeitig zuzugeben, dass auch ich recht haben könnte.
Die Person konnte mir dafür auch keine Vorwürfe machen, dass ich so etwas über sie sage, ohne damit das eigene Verhalten – gleich zuvor – zu verurteilen.

Ich hatte also gewonnen – gegen Fleisch und Blut.
Aber im Geist hatte ich verloren.

Meine eigene Gerechtigkeit konnte mich zwar vor weiteren Angriffen schützen.
Aber:

  • Konnte sie mich vor inneren Verletzungen schützen?

  • Konnte sie mich vor Bitterkeit bewahren?

  • Konnte sie meine Beziehungen schützen?

  • Konnte sie mich vor Stolz und Selbstgerechtigkeit schützen?
    Nicht einmal annähernd!

Meine Gerechtigkeit hat mich dazu gebracht, auf die gleiche Art und Weise Unrecht zu tun, wie ich es erfahren habe.
Genau davor schützt uns die Gerechtigkeit Gottes.

Gottes Gerechtigkeit
Paulus sagt im Philipperbrief:

Nicht meine Gerechtigkeit will ich haben, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die Gott schenkt aufgrund des Glaubens. (EÜ Phil 3,9)

Das heisst:
Wir ziehen nicht unsere eigene Gerechtigkeit an, sondern die Gerechtigkeit Gottes.

Meine Gerechtigkeit bedeutet: „Ich habe alles richtig gemacht – oder zumindest nicht schlechter als andere.“
Gottes Gerechtigkeit bedeutet: „All mein Unrecht ist durch Jesus am Kreuz gesühnt.“
Wenn mein Herz nicht von meiner, sondern von Gottes Gerechtigkeit umgeben ist, dann kann mich niemand verletzen.
Denn dazu müsste man zuerst an Jesus vorbeikommen – und das kann niemand, nicht einmal der Teufel.

Persönliche Erfahrung
Während dieser Predigtvorbereitung habe ich wieder gemerkt, wie viel ich da noch lernen muss.
Vor ein paar Wochen wachte ich betend auf.
Das passiert mir immer wieder, und es ist schön, schon die ersten Sekunden des Tages mit Gott zu verbringen.
Doch an diesem Morgen sprach mich Gott auf sündhaftes Verhalten in meinem Leben an, mit dem ich aufräumen musste. Das ist weniger schön, aber auch nicht so aussergewöhnlich für mich. Ich muss immer wieder aufräumen.
Was Gott mir aber dann sagte, hat mich zugleich gefreut und erschüttert:
Gott zeigte mir auf, wie ich ein Unrecht, welches ich erlebt habe, als Rechtfertigung nutze für mein falsches Verhalten. Ich sagte mir selbst, dass ich halt ein verwundeter Krieger bin.
Dazu sagte mir Gott:
„Ben, du machst aus deinen Wunden eine Rechtfertigung. Damit ist deine Verletzung zu einem Götzen geworden – zu einem Ersatz-Gott, der dich gerecht sprechen soll.
Aber ich will dein Gott sein.
Ich alleine spreche dich gerecht.
Und dafür dulde ich nichts und niemanden neben mir.“

Gott zeigte mir, dass ich einen falschen Panzer der Gerechtigkeit trug.
Diesen wieder auszuziehen, ist gar nicht so einfach. Ich benötige Hilfe.

Einladung
Deshalb, weil ich selbst erlebe, wie ich Hilfe brauche, frage ich auch dich:
Trägst du einen falschen Panzer der Gerechtigkeit?
Etwas, womit du dich selbst gerechtfertigt hast, aber das nicht von Gott kommt.
Dann bitte ich dich: Lass dir helfen, diesen Panzer wieder abzulegen.

Suche Menschen, mit denen du darüber reden kannst.
Die mit dir beten und dich auch ermahnen.
Vielleicht deine Eltern oder Vorbilder im Glauben.
Vielleicht einen Freund oder eine Freundin.
Vielleicht ist es gut, wenn du Seelsorge beanspruchst.
Es lohnt sich!
Wenn wir die Gerechtigkeit Gottes annehmen, heisst das natürlich auch, dass er uns sagen darf, was gut und was schlecht ist.
Wenn Gott nicht die Autorität hat, dir zu sagen, was richtig und was falsch ist, dann hat er auch nicht die Autorität, der Welt zu sagen, dass du gerecht bist.
Aber wenn du dich auf ihn einlässt und zulässt, dass nicht du selbst, sondern Gott deine Gerechtigkeit ist, dann musst du dich nicht mehr selbst rechtfertigen. Dann macht dich das frei.
Frei im tiefsten Sinn des Wortes.
Endlich frei. Ja, unendlich frei.
Amen.

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